Geld verdienen
Wie kann man Geld verdienen, ohne die Prinzipien Freier Software und Freier Inhalte zu sehr zu verletzen?
Möglichkeiten des Geldverdienens
Für diese Frage dürften Entwicklung und Ausbau „semikapitalistischer“ Übergangsformen, die einerseits Freiräume für die eigene Selbstentfaltung und das Erproben neuen Arbeits- und Lebensformen schaffen (Stichwort Existenzsicherung), andererseits die angestrebten Ziele nicht verraten (keine künstliche Knappheit etc.), eine der wichtigsten und reizvollsten Aufgaben für die nächste Zeit sein. Heute findet die Entwicklung Freier Software und Freier Inhalte ja meist in der „Freizeit“ neben einem regulären Job (oder Studium o.ä.) statt; das ist noch ein recht kleiner Freiraum, und durch die Verschärfung kapitalistischer Anforderungen (längere Arbeitszeiten u./o. -intensität etc.) wird die Luft immer dünner...
Eine solche Idee wäre beispielsweise eine „offene Softwarefirma“, bei der jeder sich als Programmierer anmelden darf. Jedes Unternehmen könnte dann Programmieraufträge einreichen und sagen, was es dafür bereit wäre zu bezahlen. Die Programmierer arbeiten dann, woran sie Lust haben, soviel sie wollen. Sobald ein Projekt abgeschlossen ist, wird das Geld dann gemäß den „Arbeitsanteilen“ (die allerdings schwer zu definieren und zu messen sind) aufgeteilt, und die Software bekommt eine Tripellizenz – kommerziell für den Auftraggeber, GPL oder ähnliches für die Community und etwas dazwischen für die „offene Firma“ selbst. Über die Zeit könnte so eine gewaltige Bibliothek anwachsen, die aber im Vergleich zu SourceForge und Co. deutlich besser integriert wäre, also keine 100.00 Einzelprojekte, die immer wieder das Rad neu erfinden, sondern ein sich ständig verbessernder gemeinsamer Kern, der auf Dauer ein Höchstmaß an Effizenz bewirkt.
Richard Stallman hat bereits vor langem Emacs-Erweiterungen auf eine derartige Weise programmiert – der zahlende Auftraggeber bestimmt, was gemacht wird, aber das Ergebnis stand dann allen unter GPL zur Verfügung.
Ähnliches wäre auch in anderen Bereichen denkbar, z.B. Musik-Organisationen, die sowohl Tauschbörsen als auch Viva & Co. bedienen, und somit etwas weniger entfremdeter arbeiten und trotzdem dabei Geld verdienen.
Entsprechende Tendenzen sind bereits feststellbar:
Frei sind Inhalte und Informationen (Software, Musik, Filme etc.), entweder offiziell (Freie Software, Wikipedia, kostenlose Online-Magazine) oder de facto (Tauschbörsen). Also überall wo die Grenzkosten null sind.
Bezahlt wird dagegen da, wo im Einzelfall Kosten entstehen:
- Zugang (Internet-Zugang z.B. per DSL)
- Events (Konzerte, Kinobesuche)
- Packaging (Linux-Distributionen auf CD sind bequemer als ein großer Download, Bücher lesen sich gedruckt besser als am Bildschirm, schön gestaltete Booklets und Ausstattung machen CDs und DVDs attraktiv)
- Produktion (wie im oben diskutierten Fall: wer eine bestimmte Software will, die's noch nicht gibt, und sie nicht selbst entwickeln will oder kann, muss eben jemand dafür bezahlen)
Wer diese Trends aufgreift, wird daraus wahrscheinlich einiges machen können. So kann der Schriftsteller Cory Doctorow offenbar vom Verkauf seiner Bücher leben, obwohl – oder weil? – es sie auch alle unter freien CC-Lizenzen gibt.
Für Musiker gilt ähnliches. Zu einen sind Tauschbörsen ein Werbeträger gerade für unbekannte Musiker, was dazu führen kann, dass unterm Strich wahrscheinlich deutlich mehr Leute Platten kaufen werden. Insbesondere wenn die Platten günstig sind und keinen Kopierschutz haben, sprich die Leute keine Angst haben müssen, sie später beim Umstieg auf neue Techniken nicht mehr anhören zu können („Packaging“). Zum anderen bleiben Konzerte/Live-Ereignisse, für die ein erhöhter Bekanntheitsgrad natürlich nichts schaden kann („Events“). Und nicht zuletzt dürften die meisten Musiker ja grade die Hoffnung haben, mit ihrer Musik bekannt und gehört zu werden, von daher ist ein Erfolg in den Tauschbörsen ja auch schon ein Erfolg an sich (dasselbe gilt analog für andere Künstler).
Auch die Musik- und Filmindustrie käme mit der Situation viel besser klar, wenn sie verstehen würden, dass sie mit CDs und DVDs nicht Inhalte, sondern Packaging verkaufen, und auf Convenience statt auf Abschreckung setzen würden. Das würde zum einen ein vernünftiges Preismodell erfordern, z.B. DVDs die so viel wie eine Kinokarte kosten (erfahrungsgemäß schaut man sich Filme ja doch meist nur einmal an, und selbst wenn man DVDs vielleicht zu mehreren anschaut, bieten sie doch keine mit dem Kino/Großleinwand vergleichbare Erfahrung). Zum anderen natürlich den Verzicht auf DRM, denn warum sollte ein vernünftiger Mensch Geld zahlen für Dinge, die einem gar nicht wirklich gehören und von denen man nicht weiß, ob man sie in Zukunft noch abspielen kann? Und da es ums Packaging geht, schaden es auch nichts nichts, wenn die Inhalte dann mal kopieren werden...
Individuelle Absicherung ist keine universelle Lösung
Solche Möglichkeiten des Geldverdienens können individuell helfen, sich intensiv mit Freier Software o.ä. zu beschäftigen und trotzdem in der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft über die Runden zu kommen. Als unverselle Lösung taugen sie allerdings schon deshalb nicht, weil „Geld verdienen“ letztlich nicht mehr die notwendige Voraussetzung für „ein gutes Leben führen“ sein kann, jedenfalls nicht wenn damit ein Vollzeitjob (~40h/Woche) gemeint ist. Auch wenn diese Entwicklung heute von offizieller Seite noch weitgehend ignoriert wird, macht es keinen Sinn, sie auszuklammern.
Es ist ja längst nicht mehr genug bezahlte Arbeit für alle da, und das dürfte sich in Zukunft kaum ändern. Auch die Politiker glauben das ja offensichtlich nicht – Phrasen wie „internationaler Konkurrenzfähigkeit“ meinen ja letztlich nichts anderes, als dass Jobs ins Inland geholt und die Arbeitslosigkeit ins Ausland verschoben werden soll.
Es braucht also (Übergangs-?)Modelle wie etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen, um diese notwendig gewordene Abkoppelung von Lohnarbeit und Lebensqualität zu realisieren. Damit würden sich sich dann ganz neue Freiräume für Freie Software/Inhalte/Kunst eröffnen, weil der Zwang, damit Geld verdienen zu müssen, entfällt.
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